Leseprobe
Hoch oben im Norden
Es gibt ein Land hoch oben im Norden unserer Erde, wo sich Fuchs und Hase schon am Tag gute Nacht sagen. Im Winter. Weil es im Winter immer dunkel ist. Auch am
Tag. Dafür ist es im Sommer so hell, dass man nachts ohne Licht ein Buch lesen kann, denn die Sonne geht einfach nicht unter.
Du glaubst nicht, dass es dort Fuchs und Hase gibt?! Und ob es die da gibt. Ganz weiß sind sie im Winter. Nicht vom Ärgern oder so, sondern weil sie sich dann im
Schnee besser verstecken können. Vorm Bär! Denn den gibt es dort oben natürlich auch. Der ist ebenfalls ganz weiß. Nicht vom Ärgern, sondern damit er im Schnee von Fuchs und Hase
nicht gesehen wird. Weil er sie fangen will. Aber das ist eine andere Geschichte!
Im Reich der Trolle
Nur sehr wenige Menschen leben so weit oben im Norden unserer Erde. Nur solche, die die Einsamkeit lieben. Denn hier gibt es nichts, außer endlosen Wäldern
mit niedrigen Bäumen, Blaubeersträuchern und tiefblauen Seen. Zumindest glauben das viele. Doch es stimmt nicht! Was sie nicht wissen: Hier oben liegt das Reich geheimnisvoller Wesen. Man nennt sie
Trolle. Hast Du schon einmal von ihnen gehört?
Trolle sehen anders aus als Menschen. Sie haben große Ohren und eine Knubbelnase. Manche sind riesig und sehen sehr gruselig aus. Die sind echt gefährlich, wenn
man sie ärgert!
Aber es gibt auch Trolle, die sind viel kleiner als wir. Sie sind sehr scheu und wohnen ganz versteckt in den riesigen Wäldern. Dort, wo es Blaubeeren gibt. In
ihren Erdhöhlen unter Baumwurzeln. Vor ihnen brauchst du dich nicht zu fürchten. Sie helfen den Menschen sogar, wenn diese in Not sind.
Du glaubst nicht, dass es Trolle gibt? Dann frag doch mal die Menschen, die dort oben leben. Jeder kennt sie da!
Und noch jemand lebt dort oben im Norden: Es ist Lilja. Lilja ist ein kleines Trollmädchen. Zumindest sagen das alle. Aber sie ist kein gewöhnliches Trollmädchen. Und ihr gehört ein eigenes Rentier. Willst Du wissen, warum? Na, dann lies mal diese Geschichte!
Wie Lilja zu den Trollen kam
In einer Mittsommernacht bleiben Trolle immer bis Mitternacht auf, um zu sehen, ob die Sonne auch wirklich nicht untergeht. Das wird dann tüchtig gefeiert.
Also in einer solchen Nacht fand der Trollvater vor seiner Höhle ein kleines Mädchen, das war nicht größer als dein Daumen. Und das ist auch für Trolle ungewöhnlich winzig.
„Ei, wo kommst Du denn her?“, rief er ganz verwundert und beugte sich über das kleine Geschöpf, das vor ihm im Gras saß.
Doch es war noch viel zu klein, um antworten zu können. Es streckte ihm nur einfach seine winzigen Ärmchen entgegen und lachte
fröhlich.
„Mutter, Kinder, kommt mal schnell und schaut, was für ein süßes kleines Ding ich hier vor unserer Höhle gefunden habe!“, rief der Trollvater ganz
aufgeregt.
Die Trollsippe wurde zusammen getrommelt. Doch keiner wusste, wo das kleine Mädchen herkam.
Die beiden Trolleltern hatten nur Söhne und freuten sich sehr über das winzige Wesen. Sie machten sich natürlich Gedanken
darüber, dass das kleine Mädchen sicher von jemandem vermisst wurde. Doch sie kannten keinen, der sein Kind suchte. Also betrachteten sie es einfach als ein Geschenk des Himmels und nahmen es wie ein
eigenes Kind bei sich auf. Und weil das kleine Mädchen in seinem weißen Kleidchen so wunderschön wie eine Lilie aussah, gaben sie ihm den Namen Lilja, also Lilienkind.
Lilja Lilienkind
Seither lebte Lilja oder Lilli, wie man sie fortan zärtlich nannte, mit ihren Trolleltern und den fünf Brüdern in einer behaglichen Erdhöhle unter den Wurzeln einer dicken, uralten Birke. Eigentlich waren alle glücklich und zufrieden. Es gab da nur ein Problem: ...