Volker Blum, Schulamt

 

Wie können Schulaufsicht und Schulleitungen individualisiertes Lernen in der Ganztagsschule befördern?

 

Erstes Qualifizierungs- und Austauschtreffen für Schulleitungen und Schulaufsicht im Programm „LiGa-Lernen im Ganztag“ Hessen (Initiative der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und der Stiftung Mercator).

 

Das Vorbereitungsteam für die heutige Arbeitsrunde hat mir die Rolle zugewiesen, aus meiner 42-jährigen Praxis, ich bin Jahrgang 1943, im hessischen Schulsystem u.a. zu den folgenden Themenschwerpunkten zu berichten:

  • Ausgangspunkt der Entwicklung der Schule mit mehr Eigenverantwortung.
  • Rolle und Funktion der Schulleiterinnen und Schulleiter sowie der Schulaufsicht bei zunehmender Selbstständigkeit von Schule.
  • Methoden und Instrumente zur Steuerung von schulischen und schulaufsichtlichen Entwicklungsprozessen.
  • Beförderung individualisierten Lernens.

1967-73 Lehrer und Ausbildungsauftrag

1973-79 Schulleiter und Ausbildungsauftrag

1979-92 Schulrat

1992-09 Amtsleiter

 

1967 bis 1973 war ich Lehrer an der HR-Schule Mittelpunktschule Goddelau, zunächst in einer 6. Bis 9. HS-Klasse mit 44 SSS und dann in einer 5. und 6. R-Klasse mit 42 SSS. Mindestens 3 Glücksfälle beeinflussten meine Berufszufriedenheit und vielleicht auch ein wenig meine Erfolgserlebnisse. Ich hatte einen hervorragenden Ausbilder, der uns schon 1967 mit Methoden und Instrumenten der „Binnendifferenzierung“(so hieß individualisiertes Lernen damals) und des „Exemplarischen Lehrens und Lernens“ vertraut machte, der Hospitationen mit Feedbackauftrag, auch als Peer-reviews, organisierte und selbst Unterricht mit Partner- Gruppenarbeit, Schüler-Schülerkommunikation und differenzierten Arbeitsvorgaben zeigte.Erstellen von Soziogrammen war Pflicht. Der zweite Glücksfall bestand darin, dass ich mit fast allen Pflichtstunden in „meiner“ Hauptschulklasse eingesetzt war und dass sich die Mittelpunktschule Goddelau im Aufbau befand und die Gruppe der jungen in der zweiten Phase der Lehrerausbildung befindlichen Kolleginnen und Kollegen so groß war, dass ein eigenes Schulseminar eingerichtet wurde, dessen Leitung ich übernehmen durfte. Damit war u.a. gesichert, dass Wissens- und Erfahrungstransfer innerhalb der Schule einen hohen Stellenwert hatte und von der Schulleitung unterstützt und genutzt wurde, auch durch die Einrichtung von Hospitationsmöglichkeiten.

1973 bis 1979 war ich Leiter der Schillerschule Gernsheim, einer 4-5-zügigen Grundschule mit Vorklasse (insgesamt rund 600 Kinder). Aus meiner 6-jährigen Tätigkeit in der H- und R-Schule brachte ich u.a. das Vorurteil mit, dass die Grundschulen ihre Schülerinnen und Schüler nicht gut genug auf die Anforderungen des 5. Schuljahres vorbereiteten.

Das musste an „meiner Schule“ geändert werden und ich brachte, gut vorbereitet, das Thema Binnendifferenzierung in die GK ein und erwartete Beifall und Zustimmung, was eine komplette Fehleinschätzung war. Mir wurde in der Konferenz klar gemacht, dass in der Schule in hohem Maß individualisiert gearbeitet wurde und dass es deshalb keinen Entwicklungsbedarf gibt. Den zweiten Anlauf zum Thema nahm ich einige Monate später nach Auswertung einer schulamtlichen Statistik, aus der hervorging, dass „meine Schule“ im Vergleich mit anderen Schulen zu viele Kinder in die benachbarte Sonderschule einwies. Nach dem Motto „Zahlen sind unsere Freunde“ führte ich viele Gespräche in meiner Schule und brachte dann das Thema „Reduzierung der Zahl der Sonderschuleinweisungen“ in die Gesamtkonferenz. Wieder wurde mit Binnendifferenzierung, aber auch mit Benjamin Bloom (masterylearning; alle erreichen das Ziel, wenn sie genügend Zeit erhalten) argumentiert, um das Kollegium für eigenes Lernen hin zu mehr Individualisierung zu gewinnen, was dann mit dem GK-Beschluss, eine AG Binnendifferenzierung zu bilden, begann. Diese AG, die ich selbst leitete, hospitierte an einer Nachbarschule, holte einen Experten aus dem Studienseminar in die GK der Schillerschule und ebnete so den Weg für die Entwicklung eines Problembewusstseins bezüglich der Einweisung von Kindern in die benachbarte Sonderschule, vielleicht auch für mehr individualisiertes Lehren und Lernen. Die Zahlen der Einweisungen in die  benachbarte Sonderschule gingen geringfügig, aber spürbar zurück, wobei Ursachen und Wirkungen nicht leicht einander zugeordnet werden konnten.

Im Rückblick bestätigt sich meine Schulleitungserfahrung, dass Beratung, Unterstützung und Steuerung in einer komplexen und demokratisch verfassten Organisation viel Fingerspitzengefühl, belastbare Begründungen und einen langen Atem braucht, um das schwerfällige Qualitätsentwicklungsgefährt zu bewegen und es in Bewegung zu halten.

1979 bis 1992 war ich als Schulrat (Schulaufsichtsbeamter) im Staatlichen Schulamt für den Kreis Groß-Gerau für die 21 GHRS-Schulen der Stadt Rüsselsheim zuständig. Rüsselsheim war bezüglich der relativ hohen Zahl an Gastarbeiterkindern für mich vollkommenes Neuland. Um die Schulen und deren Leitungspersonal, aber auch um die für mich neue Situation (Zusatzunterricht Deutsch für Ausländerkinder, Muttersprachlicher Unterricht, Türken- und Griechenklassen, …) kennenzulernen, vereinbarte ich mit den Leiterinnen und Leitern der Rüsselsheimer Schulen Termine zum Kennenlernen, zur Teilnahme an Konferenzen und zu gemeinsamen Unterrichtsbesuchen mit anschließendem Gespräch mit den unterrichtenden Lehrkräften. Schon mit diesem Einstieg in das neue Arbeitsfeld Schulaufsicht gewann ich wichtiges Steuerungswissen, wie z.B. dieBedeutung des Einzugsbereiches für die Realisierung des Bildungs- und Erziehungsauftrags, unterschiedliche Grade der Heterogenität in den Klassen, Engagement, Grundhaltungen und Kompetenzen des Schulleitungspersonals, Ressourcensituation und deren Gestaltung, Kooperation zwischen den Schulen, Unterstützungs- und Fortbildungsbedarf, …….

In den 80er Jahren wurden Unterrichtsbesuche durch den SL als ein wichtiges Instrument zur Qualitätsentwicklung gesehen und mit Hinweis auf das Schulgesetz (heute: „SL ist verpflichtet, sich über das Unterrichtsgeschehen, insbesondere durch Unterrichtsbesuche zu informieren, die L. und L. zu beraten und, falls erforderlich, auf einen den Rechts- und Verwaltungsvorschriften entsprechenden Unterricht hinzuwirken“) verpflichtend vorgeschrieben. Das war für mich der Anlass, meine anfänglich zum Kennenlernen durchgeführten Schulbesuche, zusammen mit dem/der SL fortzusetzen. Das fanden die Schulpersonalräte gar nicht gut und bestanden in unterschiedlicher Intensität darauf, an den UBs teilzunehmen. Wo es sich vertretungstechnisch einrichten ließ oder wo der Druck am größten war, nahmen die PR teil und es sprach sich ziemlich rasch herum, dass für die Akteure, die ihren Unterricht zeigten, keine Nachteile entstanden und die Situation entspannte sich. Das galt analog auch für die Unterrichtsbesuche durch den Schulrat anlässlich der Verbeamtung auf Lebenszeit.

Ob sich heute der UB durch Schulleitungsmitglieder, wie im Schulgesetz gefordert, etabliert hat, wird von Schule zu Schule sehr unterschiedlich sein, gilt aber in allen Fällen für die Beurteilung anlässlich der Verbeamtung auf Lebenszeit und für Laufbahn-Beurteilungen.

Mein erstes Schwerpunktthema in Rüsselsheim war das Auflösen der sogenannten Türken- und Griechenklassen. Die Situation, dass es die Schulaufsicht zugelassen hatte, in den Klassen 1-4 für griechische und türkische Kinder eigene Klassen mit eigenen Lehrkräften aus den Entsendeländern zu bilden, fand ich vor und war schnell mit Gleichgesinnten der Überzeugung, dass das den betroffenen Kindern schwer schadete, denn sie kamen in die Klassen 5 fast ohne Deutschkenntnisse, obwohl sie mindestens 4 Jahre lang eine deutsche Schule besucht hatten. Wieder ein Glücksfall unterstützte die Entscheidung, diese Klassen so rasch wie möglich aufzulösen oder auslaufen zu lassen. Zeitgleich mit mir war ein Neuzugang im HKM für die Beschulung der Ausländerkinder zuständig, dem ich  meine Sicht der Dinge mitteilte und der den mit Widerständen gepflasterten Weg zur Auflösung dieser Klassen im Streit mit den Ausländerbeiräten und -organisationen mitging. In manchen Situationen sind Unterstützer und Bündnispartner mehr als hilfreich.

 

1992 wurde ich mit der Leitung des Staatlichen Schulamts für den Kreis Groß-Gerau und ab 1995 zusätzlich für die Leitung des Staatlichen Schulamts für den Main-Taunus-Kreis beauftragt. Beide Ämter wurden 1997 zu einem Amt zusammengelegt.

Die Geschichte zur Verbesserung der Ergebnisse im alljährlich stattfindenden Mathemtik-Wettbewerb ist schnell erzählt. Als Anhänger und Vertreter der MINT-Fächer (Bio, Physik, Ma)konnte es mir nicht gefallen, dass die Bildungsregion KGG in dem vom HKM alljährlich vorgestellten Ranking Schlusslicht war. Um Abhilfe zu schaffen wurden Dienstbesprechungen mit den Leiterinnen und Leitern aller Schulen, die am Mathematikwettbewerb teilnehmen mussten, durchgeführt. Und es stellte sich heraus, dass die Schulen ganz unterschiedlich mit dem Thema umgingen: Von der intensiven Vorbereitung bis hin zu „Überraschung!“ war die ganze Bandbreite vorhanden. Nach intensiver, teils sehr kontroverser Debatte wurde vereinbart, dass das Staatliche Schulamt Fortbildungsangebote zum Thema organisiert, damit den Austausch zwischen den beteiligten Schulen ermöglicht, eine Fachberatung Mathematik für die Mathematiklehrkräfte der Schulen organisiert, einmal im Jahr eine Fachtagung MA S-I organisiert und dass sich im Gegenzug die Schulen verpflichten, ihre jeweiligen Ergebnisse um 10 % verbessern zu wollen. Innerhalb von zwei Jahren entwickelten sich die Ergebnisse des Mathematik-Wettbewerbs für die Bildungsregion KGG in die angestrebte Richtung. Siehe Schulamtsprogramm 2007.

Aus der Zeit meiner Amtsleitertätigkeit, 1992 bis 2009, kann ich viele Geschichten erzählen, zu den Strategischen Zielen, die das HKM vorgegeben hatte, zur Entwicklung von Methoden und Instrumenten der internen und externen Evaluation, zur Entstehung des Hessischen Referenzrahmens für Schulqualität und zur verpflichtenden Einführung der Schulinspektionen, zu den Schulentwicklungsgesprächen, die zum Schulprogramm führen sollen, zu PEB, EBIS und SGV („Schule gemeinsam verbessern“, vormals „Gemeinsame Verantwortung für Bildung und Erziehung in Schulen der Bildungsregion Groß-Gerau“) .

SGV:Ziele dieses Pilotprojekts waren u.a.:

  • Verbesserung der Qualität schulischer Leistungen.
  • Stärkung der schulischen Eigenverantwortung.
  • Bewirtschaftung gemeinsamer Schulbudgets aus Schulträger- und Landesmitteln.
  • Stärkung des Netzwerks Schulen, St. Schulamt, Schulträger, HKM.
  • Einführung eines schulischen Qualitätsmanagements.
  • Qualifizierung, Qualifizierung, Qualifizierung.

Ein Unterstützer war der Erste Kreisbeigeordnete und Schuldezernent des KGG, der sich für Schulentwicklung interessierte, gelegentlich Dienstreisen in die englische Partnerregion Grafschaft Cheshire organisierte und den Leiter des SSA dazu einlud. Jedes Mal, wenn wir von diesen Reisen zurückkamen, stellte sich die gleiche Frage:

Wie können wir es schaffen, orientiert am englischen, auch schottischen Modell, den Schulen mehr Eigenverantwortung zu geben.

Wir gründeten 1997 eine Arbeitsgruppe, EKB, AL, mit den Leitern einer Beruflichen Schule, eines Gymnasiums, einer IGS und einer Grundschule mit dem Arbeitstitel „Reform des Schulwesens im Kreis Groß-Gerau“. Im Dezember 1997 legte die AG dem HKM Holzapfel eine Projektskizze vor. Im März 1998 fand ein Gespräch hierzu im HKM, Minister, EKB, AL, 4 Ministeriale, statt. Am 1. 8. 2002 startete der Pilotversuch mit 17 Schulen auf freiwilliger Basis und nach und nach kamen weitere Schulträger, Kelsterbach, Rüsselsheim und MTK und somit weitere Schulen dazu.

Von der Einrichtung der o.a. AG bis zum Start des daraus entstandenen Pilotversuchs vergingen mehr als 5 Jahre.

Ab 2004 nahmen alle 121 öffentliche Schulen im KGG und MTK teil

Gesteuert wurde im paritätisch besetzten Lenkungsausschuss, der der Projektgruppe Aufträge gab, die in die Teilprojekte weitergegeben wurden und umgekehrt kamen die Wüsche aus den Teilprojekten an den Lenkungsausschuss. Die Teilprojekte, die mit SL, Lehrkräften, Fachleuten, SSA, Schulträgerpersonal besetzt waren, beschäftigten sich mit den Themen:

  • Budget
  • Qualitätsmanagement
  • Fortbildung
  • FIP (Förderung, Integration, Prävention)
  • Unterrichtsentwicklung
  • Schulmanagement
  • Verträge
  • Regionales Bildungsprogramm

Die Qualifizierungsangebote des SSA wurden pro Schuljahr von bis zu 4000 Lehrkräften der beiden Bildungsregionen besucht, Bis zur Beendigung des Pilotversuchs 2009 wurden die Steuergruppen von 60 Schulen im Q-Management und rund 70 Lehrkräfte als Evaluationsberater ausgebildet. Vertragsmuster für die Beschäftigung von Fachkräften für Musik, Sport, Kunst, Theater, Informatik, …

Der Pilotversuch wurde 2009 beendet und wesentliche Teile der erprobten Modalitäten für mehr Eigenverantwortung bildeten Grundlagen für die Entwicklung der „Selbstständigen Schule“ in Hessen. Siehe Abschlussbericht SGV.

 

FAZIT

Ein wesentlicher Ausgangspunkt für die Entwicklung der Schulen zu Selbstständigen Schulen war die Erfahrung aus England, dass Schulen mit mehr Eigenverantwortung und einem Budget, mit dem sie gestalten können, Personal- und Qualitätsentwicklung betreiben können. Dass damit auch Rechenschaftslegung gekoppelt ist und damit auch die Etablierung einer Evaluationskultur einhergeht, ist selbstverständlich. Die Selbstständige Schule wird sich weiter erfolgreich entwickeln, wenn es gelingt, zwischen den Akteuren eine Kultur des Vertrauens, der Partizipation und der Klarheit zu etablieren, die von gegenseitigem Respekt und Verständnis geprägt ist. Erfolgreiche Schulaufsicht fördert die Schule mit mehr Eigenverantwortung und die Optimierung ihrer Ergebnisqualität als Regionale Qualitätsagentur durch professionelle Beratung, passgenaue Qualifizierung, datengestützte Kontraktgespräche, dialogisch angelegte Kommunikation und Aufsicht. Hieraus ergeben sich steigende Erwartungen an die soziale, kommunikative und fachliche Kompetenz aller an den beschriebenen Entwicklungen Beteiligten in den Schulen, der Schulaufsicht und weiteren Akteuren. Schulaufsicht ist auch für die Personalentwicklung der Schulleiterinnen und Schulleiter verantwortlich und sorgt für die eigene Fortbildung. (1997 FOBI aller 120 Schulfachlichen in Hessen: Schulentwicklungsgespräche, Schulprogramm entwickeln, umsetzen, fortschreiben, Feedback geben, Gestaltung von SL-Dienstgesprächen bei Selbstständigen Schulen, QM). Sie arbeitet vertrauensvoll mit der einzelnen Schule und den kommunalen Schulträgern zusammen.

Schulleiterinnen und Schulleiter sind dafür verantwortlich, dass die Schule ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag erfüllt. Sie informieren sich über das Unterrichtsgeschehen insbesondere durch Unterrichtsbesuche. Sie beraten und unterstützen die Lehrkräfte und wirken, falls erforderlich, auf einen den Rechts- und Verwaltungsvorschriften entsprechenden Unterricht hin. Sie sorgen u.a. für die systematische QE, die Fortschreibung und Umsetzung des Schulprogramms und die Entwicklung einer Evaluationskultur. Gemeinsam mit der Schulaufsicht sind die SL auch für die Personalentwicklung ihrer Lehrkräfte verantwortlich.

Die Staatlichen Schulaufsichtsbehörden gewährleisten die Qualität der schulischen Arbeit, sie beraten und unterstützen die Schulen bei der selbstständigen Wahrnehmung ihrer Aufgaben, bei der Schul- und Unterrichtsentwicklung, der Erfüllung der Standards, der Sicherung der Durchlässigkeit der Bildungsgänge, Vergleichbarkeit der Abschlüsse, auch durch Verfahren der Evaluation, koordinieren und unterstützen die schulübergreifende Kooperation und fördern mit den Schulträgern die Qualität der regionalen Bildungsangebote. (Computerkurse für alle LK an Wochenenden, in den Ferien, Regionales Bildungsprogramm, Strategische Ziele; Ende Kl. 2 sinnerfassend lesen können, Verringerung der 27 % Risikogruppe  S-I um ein Drittel, Verringerung der Zahl der Schülerohne Abschluss um ein Drittel, …) Sie führen Schulentwicklungsgespräche, entwickeln mit den SL Zielvereinbarungen, die im Schulprogramm erfasst und in einem Maßnahmenplan  dokumentiert werden. Sie sind auch für die Personalentwicklung der Schulleiterinnen und Schulleiter verantwortlich.

Erfolgreiche Methoden und Instrumente zur Steuerung von Schul- und Unterrichtsentwicklungsprozessen sind zunächst gute Begründungen für Entwicklungsbedarfe. ZDF oder ARD, wie wir es genannt haben oder Zahlen sind unsere Freunde.

Wer macht mit wem ab wann bis wann was, mit welcher Zielsetzung, woran erkenne ich die Zielerreichung und was kostet das?

Wenn die letzte Frage nicht beantwortet werden kann, weil keine Ressourcen vorhanden sind, dann können wir die Vorstellung einer teilautonomen Schule, die ihre Gegebenheiten zu gezielter Qualitätsentwicklung erfolgreich nutzen möchte, vergessen.

Die Überschrift zur heutigen Arbeitsrunde fragt danachwie individualisiertes Lernen durch SL und SAD in der Ganztagsschule befördert werden kann. Nach meiner Erfahrung beantwortet sich diese Frage von selbst, denn jedes Schul- und Unterrichtsentwicklungsprojekt, das die Qualität von Schule, also die Lernerfolge von Schülerinnen und Schülernverbessern will, muss sich mit der Individualisierung des Lernens sowie der Bedeutung individueller Förderpläne beschäftigen und das sollte auch jedem Lehrer, jeder Lehrerin bei Ausübung ihrer vom Schulgesetz beschriebenen pädagogischen Freiheit (Verantwortung), klar sein. Um individualisiertes Lernen, also Schülerorientierung und selbst organisiertes Lernen, zu befördern muss die Schule über  eine Bestandsaufnahme ihre Ist-Situation klären, um daran orientiert Projektziele zu identifizieren.

Das notwendige Steuerungswissen entsteht aus vorliegenden oder zu erhebenden Daten mit Hilfe interner oder externer Evaluation.

Die Schulaufsicht kann diesen Entwicklungsprozess, quasi als „Regionale Qualitätsagentur“, durch Bereitstellung benötigter Ressourcen, durch Schul- und Unterrichtsbesuche, zusammen mit dem SL / der SL, durch Schulentwicklungsgespräche auf Augenhöhe, durch passgenaue Qualifizierungsangebote, durch die Gestaltung von Dienstversammlungen, Arbeitsrunden und Marktplätzen, durch die Organisation von Wissens- und Erfahrungstransfer sowie durch Anerkennung der in den Schulen geleisteten Arbeit unterstützen. Sie muss aber auch bei Bedarf die von den Schulen zu erbringenden Leistungen einfordern und so ihre Aufsichtsfunktion erfüllen.

Wenn mehr Eigenverantwortung der Schulen als Schlüssel zur Qualität gesehen wird, muss die Schulaufsicht die Schulen als Partner mit steigender Gestaltungskompetenz wahrnehmen, das regionale Umfeld der zu beratenden Schulen gut kennen und in die Beratungsarbeit einbringen sowie die Schulen auf ihrem Weg zu mehr Eigenverantwortung fördern, unterstützen und qualifizieren. Die Schulaufsicht muss auf verbindliche Verabredungen zu pädagogischen Zielen, Zielvereinbarungen, für die schulische Arbeit in einem Schulprogramm hinwirken, Instrumente zur Qualitätssicherung kennen und deren Anwendung unterstützen, sowie pädagogische Innovationen fördern und verbreiten.

Diese Anforderungen entsprechen dem dialogischen Verständnis von Schulaufsicht, das sich auf eine Kultur des Vertrauens stützt und sich durch Dialog, Partizipation, Transparenz und Respekt auszeichnet. Hieraus ergeben sich steigende Erwartungen an soziale, kommunikative und fachliche Kompetenzen der Schulaufsichtsbeamtinnen und –beamten, die auch Initiativen für passende Fortbildungsangebote rechtfertigen, denn das Steuern mit Zielvereinbarungen bringt nur dann Erfolge, wenn das zuständige Schulaufsichtspersonal von den Schulen als professionell und partnerschaftlich handelnde, gut qualifizierte, geduldige, wertschätzende Berater und Unterstützer, als Wissende, Könnende und Wollende wahrgenommen und ihre Leistungen von den Schulen als hilfreich empfunden werden.

In diesem Kontext kann es hilfreich sein, wenn ein Staatliches Schulamt auch selbst ein Schulamtsprogramm schreibt und es in den Bildungsregionen verteilt. Die angewandten Dokumentationsstrukturen können gemeinsam entwickelt werden, so dass sie in den Schulprogrammen und dem Schulamtsprogramm identisch sind.

Die Entwicklung einer Evaluationskultur wurde im Amtsbereich Rüsselsheim, bevor es den Hessischen Referenzrahmen für Schulqualität und die Schulinspektionen gab, durch das DIPF Frankfurt unterstützt und begleitet. In Kooperation des SSA Rüsselsheim entwickelte das DIPF die PEB-Fragebögen (Pädagogische Entwicklungs-Bilanz) und die EBIS Fragebögen (Entwicklungs- Bilanz im Staatlichen Schulamt), die neben der Frage „Wie gut ist unsere Schule?“ auch die Frage „Wie gut ist unser Staatliches Schulamt?“beantworten helfen sollte. Beide Evaluationsinstrumente wurden mit gutem Erfolg in den Schulen und im Staatlichen Schulamt eingesetzt.

Siehe hierzu das Schulamtsprogramm und die Broschüre zur Regionalen Fortbildung des Staatlichen Schulamts Rüsselsheim.

 

VOLKER BLUM, 18. 2. 2018