Informationen zur Wallfahrtsstätte Maria Einsiedel bei Gernsheim

Die Wallfahrtsstätte

Maria Einsiedel

 

Erste Spuren der Wallfahrtsstätte

Die Spuren der Gnadenstätte Maria Einsiedel reichen bis zum Jahr 829 zurück, als der umzäunte Ort Geroldshusa  laut einer Urkunde dem Kloster Lorsch geschenkt wurde. Er ist wahrscheinlich mit dem späteren Einsiedel Hof, der zu Gernsheim gehörte, identisch. Die Anfänge der Wallfahrtsstätte sind urkundlich bis zu einer baufälligen Kapelle zurück zu verfolgen. Sie ist wohl bereits zur Zeit der Kreuzzüge zu Ehren des heiligen Kreuzes errichtet worden.

Die Gnadenkapelle

Erstmals benannt wurde die Kreuzkapelle „Ecclesia Sancta Marie in Ansidl bei Jernesem“  im Jahr 1493 in einem römischen Ablassbrief, den 16 Kardinäle, darunter zwei spätere Päpste, unterzeichnet hatten. Die hierauf einsetzende Spendenflut führte dazu, dass noch im gleichen Jahr mit dem Neubau der Kapelle begonnen werden konnte. 1499 wurde der Hochaltar erneuert und 1508 das Kirchenschiff erweitert. Der spätgotische Stil ist noch heute im Chorraum erkennbar. 1871 wurden der Vorbau auf vier Säulen und der steinerne Aufgang an der Seite angefügt. 1875 wurde an der Nordseite die Sakristei ergänzt.

1912/13 wurden die neugotischen Glasfenster der Kapelle angefertigt. Sie zeigen im Chorraum Marienmotive. In der Mitte sind vier Anrufungen aus der Lauretanischen Litanei, der Turm Davids, der elfenbeinerne Turm, der Sitz der Weisheit und die Pforte des Himmels zu sehen. Die Fenster rechts und links davon stellen Rosenkranzgeheimnisse dar. Rechts sieht man Maria im Himmel neben Jesus sowie die Apostel an ihrem leeren Grab, links den Erzengel Gabriel, der Maria die Ankunft Jesu verkündet und Maria bei Elisabeth, der Mutter von Johannes dem Täufer. Ein weiteres Fenster im Chor zeigt acht Seligsprechungen. Motive der Fenster im Kirchenschiff sind auf der Südseite der Heilige Sebastian und auf der Nordseite Jesus am Kreuz und die Auffindung des Kreuzes durch Kaiserin Helena.

1941 erhielt die Kapelle einen neuen Hochaltar. Der alte Altar steht heute in der St. Michaelskapelle im Gernsheimer Friedhof. 1967 passte man die Wallfahrtskapelle den Vorgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils an. 1999 wurde sie schließlich erneut renoviert.

 

Die gotische Pietà

Verehrung erlangte die Wallfahrtsstätte durch das Vesperbild der Pietà aus der Zeit um 1400, welches die leidende Mutter Gottes mit ihrem toten Sohn auf dem Schoß darstellt und die Legende, die sich darum rankt:

 

Das hölzerne Bild soll eines Tages in einem Holunderstrauch gefunden und zur Pfarrkirche nach Gernsheim gebracht worden sein. Nachts sei es auf unerklärliche Weise zum Holunderstrauch zurückgekehrt. Dies wiederholte sich so lange, bis man endlich an jener Stelle eine Kapelle errichtete und sie hier ihren Platz auf dem Hochaltar fand.

Die Pietà von Maria Einsiedel zeigt die Gottesmutter in herber Strenge, mit hoher Stirn, weit geöffneten Augen und scharf gezeichnetem, versteinertem Gesicht. Sie wurde, wie zu der Zeit um 1400 üblich, frontal sitzend dargestellt und hält den Leichnam ihres Sohnes in knabenhafter Gestalt auf dem Schoß. Wahrscheinlich ist das Vesperbild die Arbeit eines ländlichen Bildschnitzers.  

Die böhmische Madonna

 

Zusätzliche Bedeutung erlangte Maria Einsiedel durch ein zweites Gnadenbild. Es handelt sich dabei um die böhmische Madonna, die 1650 zur Wallfahrtsstätte gebracht wurde.

Nach einer handschriftlichen Überlieferung sollen während des 30-jährigen Krieges 1621 lutherische Soldaten im ausgebrannten Dorf Nordhofen in Böhmen, bei ihrer Suche nach verbliebenen Wertgegenständen, eine hölzerne Madonna in glühender Asche gefunden haben. Sie war wie durch ein Wunder unversehrt geblieben. Ein Hauptmann namens Lichtenfeld soll sie schließlich an sich genommen und im Laufe des Krieges mit nach Seeheim an der Bergstraße gebracht haben. Aus Dankbarkeit für seine gute Einquartierung bei der adeligen Margaretha Sophia, geb. von Frankenstein und ihrem Ehemann Adolph von Behren soll er ihnen die Madonna geschenkt haben. Margaretha Sophia floh nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1622 mit der barocken Gottesmutter nach Zwingenberg und versteckte sie in den Kriegswirren aus Angst vor Plünderern drei Jahre lang in einem Brunnen. 1625 floh sie schließlich mit der Madonna vor den schwedischen Truppen zu Verwandten nach Gernsheim. Sie heiratete hier den Ratsherren Anton Wetzel (nach anderen Quellen auch Wenzel) und ließ die böhmische Madonna in der Pfarrkirche aufstellen. Schwerkrank soll sie dann das Gelöbnis abgelegt haben, im Falle ihrer Genesung die Madonna nach Maria Einsiedel zu überführen. So gelangte die Gnadenfigur letztendlich am 2. Juli 1650 in einer feierlichen Prozession in die Wallfahrtskapelle. Seither wird hier jedes Jahr am ersten Sonntag im Juli die Große Wallfahrt Maria Heimsuchung gefeiert. Die barocke böhmische Madonna von Maria Einsiedel gehört zum Typus der schönen Madonna. Reich verziert und in anmutiger Schönheit mit dem Heiland auf dem Arm dargestellt, zählt dieser Typ zum Besten, was die höfische, von Prag her bestimmte Bildhauerkunst im böhmisch-schlesischen Bereich je geschaffen hat. Mit Einsetzen der Reformation mussten allerdings viele große Bildhauer das Land verlassen oder sich neuen Aufgaben zuwenden.

 

Mehr Informationen zur Wallfahrtsstätte finden Sie in dem Büchlein "Zeit zur Besonnenheit"!